lieber tonibjörn :),
freut mich, dass da jemand ist, der sich beschwert - auch wenn ich selbst das recht spaet erst bemerkte, gerade eben naemlich.
warum die letzten wochen, kann man von monaten sprechen, hier nichts angelegt wurde, dafür mags viele gründe geben, einer wird wohl geistige traegheit sein. staendig latente spannung und habachtstellung in erwartung dessen, was wohl kommt, und keine lust, das dann in eine richtung, in die eines befreiend knackigen textes zu lenken, der mit einem haha haha endet.
keine lust, an berlin zu denken, ans woher und wohin, ans wie und womit, und in welcher sprache überhaupt - dann aber kam vor zehn tagen benjamin sehr viel früher als geplant, und seit dem fluche ich beispielsweise tatsaechlich auch wieder bei gegebenem anlass auf deutsch vor mich hin, ob das nun jemand versteht oder nicht. :)
und das war so: wie immer war tatsaechlich er es, der am schnellsten kopfige naegel zu machen verstand, wollte im oktober kommen, und da ich in istanbul platzangst bekam und es mich weiter zog nach osten, schlug ich ihm statt lediglich einer fahrt zu mir eine weitere gemeinsame überlandfahrt vor.
da nun kurz vorher meine praktikumsarbeitgeber aus heiterem himmel entschieden, man könne ja mal ein projekt zum alten und 'multiethnischen' mardin machen und dafür eu-geld beantragen (das geld wird sie nicht bekommen, die vakıf, das projekt nicht machen), wuchs auch mein interesse bei der recherche zu der stadt um ein vielfaches:
mardin, das ist fast syrien!
das ist eine handvoll verbliebener syrianisch orthodoxer sowie armenisch orthodoxer christen, die da seit urzeiten zwar gewesen waren, aber dank der türkischen minderheitenpolitik in den letzten jahrzehnten fast völlig verschwunden sind - mal wieder vor allem nach deutschland (auch deutschland lernt man am besten von aussen her kennen, man wird das zu sagen nicht müde, was wusste ich vorher über syrische christen: eine weitere gesellschaft, die wahrscheinlich so parallel bei uns gar nicht ist, und wer sagt da, deutschland sei so monokulturell?).
das sind kurden und araber, das sind kurdisch und arabisch und türkisch, die da oft von ein und der selben person durcheinander gesprochen werden sollen. (aramaeisch, die sprache des herrn, jedoch kaum noch.)
das sind natürlich auch solche
bilder, wie vom maerz diesen jahres:
und so war dann eben der vorschlag nach südosten zu fahren, mit dem zug, der sich natürlich in puncto komfort und tempo weder mit der deutschen bahn noch mit den türkischen privatbussen als langstreckenverkehrsmittel vergleichen laesst, aber an charme und vom preis her beide bei weitem übertrifft.
diyarbakır! die (viertgroesste türkische?) stadt im norden von mardin, auch das war ein ort, dessen name allein mich schon lange zog. und so war also die idee, mit dem zug da runter zu fahren, insgesamt zwei tage lang, mit zwischenstopp in der hauptstadt bei Papa Türk.
und froh und glücklich bin ich, dass es da diesen menschen gibt, der mir an spontanitaet um nichts nachsteht (wenn auch seine stimme der vernunft im innenohr in so mancher situation oft lauter und nachhallender zu rufen scheint als meine - irgendwann soll er mich deshalb bitte adoptieren! :) und gleich begeistert bei der idee miteinstieg, das ganze sogar einen monat früher als gedacht und zwar von dann auf gleich!
und so tuckerten wir also die letzten zehn tage gemeinsam da runter,
lernten junge bauern mit grünbraunirisierenden augen aus der naehe von kayseri kennen, einen baerigen papa aus batman, kurdisch arbeitslose kunstlehrer und einen dreizehnjaehrigen obstbauern in diyarbakır, einer stadt, in die ich mich sofort verliebt habe, einen kurdischen schlosser in mardin, fast schon volljaehrig und frisch gefeuert und überall waren leute, die mit uns sprachen oder gürkchen in die schwitzigen haende drückten. letzteres war übrigens der einzige kontakt, den wir mit frauen auf der ganzen fahrt hatten, bis auf die hinreissenden reinemachdamen im kleinen diyarbakırer hotel malkoç.
dass der dreizehnjaehrige davut sich sorgen um seine grossen schwestern macht, die mit 16 immer noch nicht verheiratet wurden, mag ein grund dafür sein.
(und indem ich das sage, denke ich auch schon, das falsche zu tun, denn diyarbakır ist andererseits eine viel modernere stadt als es hier jetzt klingt!)
ich redete und redete also so gut es eben ging die ganze zeit mit allen (oft zu meiner unzufriedenheit) und benjamin - sah gut aus wie immer. :)
yakışıklı, sagt der türke.
aber abgesehen davon, was ihm ja nun nicht weiter schwer faellt, und seiner taetigkeit als fotograf, war er für noch viel mehr gut: den alten wortwitz brachte er mir zurück, der im türkischen lumpengewand nun seit einiger zeit doch eher als taubstummer herumschlurft!
und solcher art konuşa konuşa (schade, dass man das verb hier nicht so biegen und beugen kann wie auf türkisch), also waehrend wir dann so redeten und redeten, kam irgendwie auch langsam wieder berlin in meinen kopf zurück als rein realer ort mit realen menschen, realer vergangenheit und zukunft, realem beruf und all diesen verstrickungen.
das klingt jetzt so, wie klingt denn das jetzt.
so als waere das alles völlig vergessen - naja, zumindest in jeder hinsicht weit weit weg.
und nun zurück an die arbeit, schreib jetzt öfter wieder hier rein. in der wohngemeinschaft die telefonfatura wurde endlich auch gezahlt, so dass es auch dort wieder netz gibt, reiseimpressionen wurden auch geschossen, die kommen dann bald hier rein, bis dahin viele grüsse,
und auch du lieber toni wirst unter anderem noch gern hier gesehen (mal wieder :)
pführt euch,
markus