teneffüste

ein vorteil bei einem bis dato nicht gerade sonderlich spannenden praktikum wie diesem hier, der mir erst heute auffiel, ist beispielsweise die nicht nur geographisch unmittelbare naehe zum archaeologischen museum, sondern auch dessen für unsereins uneingeschraenkte zugaenglichkeit, da ein mitarbeiter die sicherheitsjungs da kennt. und wenn einen dann schon eine kollegin mit zwischen die artefakte nimmt, weil da gerade ein paar ganz unverschaemt bezaubernde katzenkleine geschlüpft sind, kann man ja selbst anschliessend auch gleich die zeit noch etwas nutzen, um die angehaeufte geschichte zu bestaunen. den gebaeudekomplex in seiner architektonischen, leicht staubigen vielfalt aus berliner bzw sofiaer kulturpalast, frühosmanischem palast und westdeutschem kindergarten schloss ich dabei jetzt schon ins herz.
die türkei in der eu - wieder einmal einen ehrfürchtigen schudder in dem museum bekommen bei dem gedanken, dass dieses eine land mehr 'historie' in die union einbringen könnte als fast alle andern zusammen - klar, natürlich nur, wenn man diese zaehlen könnte wie aepfel und birnen...phryger, parther, perser, seldschuken - manchmal krieg ich da wenigstens kurz ein raeumliches und zeitliches gleichgewicht in all diese sich kreuzenden und überlappenden namen von recht willkürlichen menschengebilden...aber allein die aegaeis oder die schwarmeerküste oder zentralanatolien überfordern einen ja schon fast!
ausserdem entdecke ich bei mir zur eigenen überraschung eine wachsende zuneigung zu - keramik, man weiss schon, jetzt wird gleich iznik genannt. wie nichtvorhanden oder linkisch die figürliche malerei im gesamten islamischen raum auch immer war, so spannend die ornamentik: schnoerkel und ranken, die sich verbinden, wieder auseinander laufen, an einem anderen punkt sich neu verzweigen - uğur, der mal auf der statischen qualitaet dieses denkens als eines positiven wertes beharrte, gegenüber dem aufs endziel zu eilenden westen, burroughs*, der seine eigenen cut-ups ohne arabische musik so haette vielleicht nie entwickeln können, die naehe zum rhizom und zum gribouillage, wie es millionen von telefonierern taeglich kritzeln, ohne darüber nachzudenken - eigentlich ist vieles an ihnen moderner als die moderne selbst...denkt der laienkunsthistoriker in seinen reveries d'un promeneur solitaire und schweigt, weil er vielleicht quatsch verzapft. auf jeden fall sind se schön:

39409566-Tileinred

anderes interessantes detail dabei, das an einer museumswand stand: es sollen die seldschuken gewesen sein, die im 13. jahrhundert die kunst der keramik mitgebracht haben - und eines von deren lieblingsmotiven: die harpye. harbiye, harbiye. da wohne ich doch, und selbst wenn mein haus vielleicht gar nicht mehr exakt in diesem viertel liegt, soll es das bitte tun, wegen des wohlklangs seines namens, den ich nicht mehr aus dem kopf kriege.

250px-Harpyie

Harpye heisst auf altgriechisch, zumindest nach Wikifrance 'qui vole et saccage' und so waren diese vogelkörprigen töchter des thaumas (der wiederum sohn der gaia) und der elektra (diese okeanide, was der name schon zeigt, tochter des okeanos) göttinnen des sturms, der rache und der zerstörung. seit einiger zeit interessiere ich mich übrigens immer mehr für die mehr oder weniger genaue lokalisierung (beispielsweise) 'griechischer' mythen in geschichte und geographie - dass es zum beispiel einmal frauen gegeben haben soll, die sich eine brust zum bogenschiessen wegbrannten, ist ja auch erstmal eine nette geschichte; aber dass sich gleich zwei türkische staedte (samsun, als deren herkunftsort, und izmir, nach deren königin) auf sie berufen, die so weit voneinander entfernt sind, war mir neu. die beispielliste liesse sich dann auch beliebig fortsetzen.
jedem, dem solche spinnereien auch nicht einfach spinnert erscheinen, hiermit ein herzliches hallo in dieser stadt mit gerungenen haenden und fragendem blicke!
the greater mediterranean - und schon juckt es mich wieder in den fingern, endlich nochmal eine konsequentere lektüre von braudels monumentalklopper über das mittelmeer zu starten...und von nietzsches zweiter unzeitgemaessen
zum ausgleich :)

(*ach so, wenn vielleicht jemand gerade in der naehe einer grossen uni-biblitothek ist und dadurch zugang zu Mario Vrbančićs Artikel Burroughs's Phantasmic Maps, erschienen in New Literary History - Volume 36, Number 2, Spring 2005, pp. 313-326, und zu finden auf dem project muse server, hat - vielleicht koennte er mir den ja bei gelegenheit mal rüber schicken? ich habe hier unifern keinen zugang...

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