'vor ort', gigi nochmal konsultiert

[...] Ähnlich wie den BeobachterInnen vor Ort bleiben jedoch auch dem westlichen Blick die Vorgänge in der arabisch-islamischen Welt aufgrund einer Perspektive, die identitäre Denkformen naturalisiert, nur in rassistischer, die eigene Überlegenheit hervorkehrender Weise zugänglich. Dies macht sich in Diskursen über außereuropäische Länder bemerkbar, in denen die Existenz von Lesben und Schwulen fraglos vorausgesetzt wird. So schreibt das bundesdeutsche Szenemagazin gay-press.de über die Vorgänge in Ägypten: »Zumindest wir westlich zivilisierten Homos wollen unser Gesicht behalten und distanzieren uns nachdrücklich von den unerträglichen Zuständen, unter denen unsere Mitschwestern in Ägypten leiden.« [14] Die Adressierung von Mitschwestern in Ägypten unterstellt völlig unproblematisiert die Existenz der eigenen Denkform im Land am Nil.

Dass man selbst das Produkt einer epistemologischen Falte [15] ist, scheint von »westlich zivilisierten Homos« nicht bemerkt zu werden. Dafür werden jedoch andere Formen gleichgeschlechtlicher Attraktion vom Autor auf eine unerträgliche Weise denunziert: »Sobald zwei islamische Männer Hand in Hand auf der Straße laufen, hat dies eine andere Bedeutung; das ist dann Ausdruck von Freundschaft ... Nun gut, andere Länder, andere Sitten.« Demonstrativ wird hier Unverständnis gegenüber der »Freundschaft als Lebensweise« (Foucault) zur Schau gestellt, die immerhin eine in vielen außereuropäischen Ländern gängige Alternative zum westlichen Identitätsmodell darstellt. Gleichzeitig wird jedoch der Unterschied als kulturelle Differenz markiert, mit deren Hilfe Ägypten bzw. der »Orient« als das Andere konstruiert werden kann.

Der Autor, der sich auch sonst eher für die Unversehrtheit schwuler Touristen aus Deutschland als für die Situation der Menschen vor Ort interessiert, repräsentiert die typische Ignoranz, die in westlichen Diskursen gegenüber nicht-identitären Modellen von »Homosexualität« eingenommen wird. Sie werden einfach nicht gesehen: man stellt sich blind. [...]

Kleiner Auszug aus gigi: globalizing homophobia

Nach langer Zeit nochmal gelesen. Und nochmal. Und dann bin ich nicht ich, wenn ich nicht zu Hause bin. Und ein Faltenprodukt. Und es gibt Männer, die wissen, dass es in irgendeiner Wirklichkeit Schwule gibt und sie selbst gern mit Männern rummachen und Schwule aber bei ihnen dann auch irgendwann einziehn wollen würden. Und es gibt welche, die nennen andere Menschen am anderen Ende der Welt Mitschwestern und die verstehen es dann auch manchmal, wenn sie vielleicht auf die Bilgi Universität gegangen sind oder zu Galatasaray oder sie verstehen es nicht und fühlen sich unwohl. Oder sie verstehen es nur zu genau und fühlen sich erst recht nicht gut...
Und dann gab es den langweiligen Gide, der wieder und wieder mit Araberjungs in den Dünen verschwand, aber in den Tagebüchern über eine Stadt wie Istanbul die ganze Verachtung kippte, der ein Angehöriger der "plus belle civilisation du monde" fähig war.
Und einen homosexuellen Türken gibt es, der eigentlich Deutscher ist und photorealistische Erotika malt, und nun wieder Türke ist und in Istanbul lebt. Der darf hier aber wegen der photorealistischen Darstellungen nicht mehr unterrichten.
Jäcki hatte im Waisenhaus gelernt, dass Lügen eine Todsünde sei, und stellte sich so schon Anfang der 5oer Jahre europaweit Schafhirten, Priestern und auch sonst jedem unumwunden als schwul vor. Danach auch über Europa hinaus.
Hülya Dasdemir war in der Türkei geisteskrank, weil sie irgendwann kein Mann mehr sein wollte. Jetzt lebt sie als anerkannte Asylantin in der Schweiz und gewöhnt sich da an eine neue Welt. Als 'Geisteskranker', die aber in ein ganz normales Gefängnis gesteckt wurde, brach man ihr in der Türkei beispielsweise gezielt beide Arme und riss ihr die Haare aus. Amnesty international sagte sie, sie wolle "die Türkei vor einen internationalen Gerichtshof" bringen.
Die Türkei ihrerseits hat den Zusatz zum Schutz vor Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung im letzten Moment zurückgezogen, obwohl sie ihn für die EU eigentlich bräuchte. Aufgrund ethnischer oder geschlechtlicher Unterschiede darf hier aber keiner anders behandelt werden.
Gigi sagt, der Westen ist anders und drückt dem Osten eine neue sexuelle Identität auf. Hülya Dasdemir sprühte die Polizei Tränengas ins Gesicht.
Und ich gehe jetzt grillen mit einem alten Mann und dessen Familie und lasse mich mit Sicherheit fragen, ob ich nicht eine türkische Frau an meiner Seite suche.

Trackback URL:
https://pouqueville.twoday.net/stories/2187782/modTrackback

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Aktuelle Beiträge

diese seite hat sich...
diese seite hat sich umgezogen...
mq - 13. Jan, 11:34
Hey!
Na, kennen Sie mich noch, mein Herr?: http://www.flickr.com/phot os/65597850@N00/91154181/. ..
kaner - 7. Nov, 22:32
tröste dich, vom internationalen...
tröste dich, vom internationalen autorenfilm ist man...
lmd78 - 18. Sep, 15:56
showroomdummies.
bursa ist eigentlich für andere...
mq - 17. Sep, 21:36
herr im himmel!
hätt ich das gewusst, jetzt komm ich mir fast etwas...
mq - 17. Sep, 21:17

Status

Online seit 7102 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 13. Jan, 11:34

Credits

Archiv

Juni 2006
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
18
19
20
24
25
26
27
28
29
30
 
 
 

Profil
Abmelden
Weblog abonnieren