fahne raus

"Im Istanbuler Stadtviertel Cihangir lebten bis vor kurzem in den heruntergekommenen Mietshäusern einer abgelegenen Strasse Transvestiten. Die meisten von ihnen sicherten sich ihren Lebensuntehalt durch Prostitution, so dass in der Strasse ein ungutes Klima herrschte, das die umliegenden Bewohner nicht mehr hinnehmen wollten. Sie erklärten dieses Jahr den Transvestiten den Krieg, brachten den sittenstrengen Teil der Presse, die öffentliche Meinung und die Polizei auf ihre Seite und benützten in ihrem Feldzug zur Vertreibung der Transvestiten auch die türkische Fahne als Waffe, und zwar auf recht eigenartige Weise. Es wurde das Motto ausgegeben, wer gegen die Transvestiten sei, solle eine Fahne hissen, und bald war so gut wie die ganze Straße beflaggt. Für die Bewohner besagten diese Fahnen "Wir wollen hier keine Transvestiten". Nach Mitternacht aber nahmen sie eine Bedeutung an, die von der in meiner Kindheit üblichen erheblich abwich. Die vorwiegend betrunkenen Männner, die um diese Zeit in die Strasse kamen, nutzten nämlich die Fahnen zur Orientierung, also um zu wissen, wo Prostituierte überhaupt noch wohnen."
Orhan Pamuk, Meine Flagge

"Ich komme vom Land und bin Sohn einer Bauernfamilie. Meine Kindheit verlebte ich während der Blütezeit des türkischen Nationalismus. Ich war von Geburt wegen der „Andere", d.h. Kurde. Ich bin in einer repressiven Stimmung groß geworden, die auf den Militärputsch folgte. Als Kind war ich eher ängstlich und versuchte ständig, die Anerkennung anderer zu erhalten: von meiner Mutter, von meinem Vaters oder von meinen Lehrern. Besonders außerhalb der Familie strengte ich mich ganz beachtlich an, mir „Aber"s zu verdienen: „Kurde aber gut", „Kurde aber erfolgreich", „Kurde, aber er spricht perfekt türkisch." Während der Pubertät entdeckte ich, dass ich schwul bin. Obwohl es lange Zeit brauchte, dies vor mir selber zuzulassen, war es doch ein Riss in meinem gläsernen Schutzmantel. Denn nun konnte kein weiteres „Aber" diesen Mangel ausgleichen..."



Mehmet Tarhan, türkischer Kriegsdienstverweigerer.
Dass er schwul ist, sollte nur ein Detail sein, ist es aber nicht. Wer sich zu ihm informieren möchte, erfährt nebenbei auch einiges über die heutige Türkei - seinem Mut auch, vor allem aber seiner überlegenen Klarsicht mein größter Respekt! (auch hier)

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